Diskussion / Vortrag
Mit Sebastian Friedrich, Bildungswissenschaftler, Autor und Redakteur von kritisch-lesen.de und analyse & kritik
Donnerstag, 10.09.2015 | 19:00 Uhr bis 21:00 Uhr
kollektives Zentrum koZe, Hamburg
Norderstraße 65
20097 Hamburg
Viele Menschen werden aufgrund ihrer Zugehörigkeit zur „Unterschicht“ verspottet, diskriminiert und ausgegrenzt. Weit verbreitet sind die Bilder von faulen, dummen Arbeitslosen. Sei es in als „Unterschichtenfernsehen“ gehandelten Sendungen, in Mythen über Bewohner_innen aus „Problembezirken“ oder durch Äußerungen von Politiker_innen über Arbeitslosigkeit als „Spätrömische Dekadenz“. Denn so wird es häufig medial, politisch und auch im persönlichen Umfeld vieler kommuniziert, wer arm ist, sei selber schuld und demnach faul, dumm oder sogar asozial. Diese Form der Diskriminierung und des Machtverhältnisses, bei denen Menschen aufgrund des ihnen zugeschriebenen ökonomischen, sozial- und bildungspolitischen Status benachteiligt und abgewertet werden, nennt sich Klassismus.
Was genau verbirgt sich hinter dem Begriff, welche Auswirkungen haben die oben angeführten Denkweisen und dadurch ausgelösten Mechanismen auf die unterschiedlichen Ebenen der Gesellschaft? Was sind die Grundlagen für diese Form der Diskriminierung und welche Gesellschaft bedingt sie? Wie kann man sich gegen Klassismus wehren und wie steht Klassismus in Wechselwirkung zu anderen Diskriminierungsformen wie Sexismus und Rassismus? Diese Fragen anzugehen ist Thema dieser Veranstaltungsreihe, wobei unterschiedliche Referent_innen das Phänomen Klassismus aus verschiedenen Perspektiven beleuchten.
Selbst schuld! Der „faule Arbeitslose“ und die „fleißige Leistungsgesellschaft"
Die öffentliche Meinung über Erwerbslose ist geprägt durch den Stereotyp des „faulen Arbeitslosen“. Demnach säßen Erwerbslose den ganzen Tag vor dem Fernseher, konsumierten dabei literweise Bier und kiloweise Chips, trügen selten mehr als Unterhose und Unterhemd und vernachlässigten ihre Kinder. Das alles könnten sie, so das Klischee, weil der Sozialstaat sie dazu einlade, es sich in der »sozialen Hängematte« gemütlich zu machen. Dieser Stereotyp vereinheitlicht Arbeitslose und stellt sie unter Generalverdacht, im moralischen Sinne zu Unrecht Solidarität in Form von Geld- und Sachleistungen zu erhalten. Um sich dem Verdacht zu entziehen, müssen sich Arbeitslose als besonders fleißig und erwerbsarbeitsorientiert präsentieren − und sich ihrerseits von den vermeintlich »unwürdigen Arbeitslosen« abgrenzen. Im Vortrag wird diskutiert, was konkret hinter dem Stereotyp des faulen Arbeitslosen steckt und welche Funktion Klassismus im Allgemeinen für die Aufrechterhaltung der Klassengesellschaft hat.